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Schüsse im Condo

Das Expatleben ist ein Heiligtum. Der größte Anteil der Entsandten in Singapur lebt in sogenannten Condos. Das sind Wohnanlagen, die an Feriendörfer erinnern und auch so verwaltet werden. Hier fragt niemand nach dem Hausmeister, da gibt es Security, Manager und weitere Angestellte. Pool, Barbecue, Tennisplatz und Fitnessraum müssen gepflegt werden und täglich werkeln die Gärtner auf dem Gelände herum, damit alles hübsch aussieht. In irgendeinem Stockwerk ist auch immer eine der Putzfrauen zu finden, die das Treppenhaus sauber halten. Da darf nichts den Frieden und die Behaglichkeit stören, denn die Condo-Konkurrenz ist groß und bei den horrenden Mieten in Singapur muss nun mal auch etwas geboten werden.

Vögel im Übermaß gehören dabei nicht zu den Vorzügen einer Wohnanlage. Krähen sind keine einheimischen Vögel, wurden aber vor Jahren eingeführt, um den schädlichen Nashornkäfer zu eliminieren. Bei dem tropischen Klima vermehren sich die Krähen das ganze Jahr hindurch vielreich und es ist eine regelrechte Plage entstanden. Sie stellen eine Gefahr dar für fremde Nestlinge und Vogeleier und nehmen so Einfluss auf die Population der einheimischen Vogelwelt. Dazu sind Krähen mit ihrem heiseren Gekrächze wahnsinnig laut und haben auch einiges an unschönen Hinterlassenschaften zu bieten. Darum wird ihnen ganz simpel der kurze Prozess gemacht: Ein Aushang am schwarzen Brett warnt noch schnell vor Schussgeräuschen und am nächsten Tag erscheinen die “Crowbusters” auf der Bildfläche. Allesamt Freiwillige aus Schützenvereinen. Dann ist für ein paar Minuten Schusswaffengeballer zu hören, die schwarzen Flugtiere fallen auf den Boden und schon ist die Show vorbei. Nur noch die toten Tiere einsammeln, und das schöne friedliche Leben kann ohne krächzende Geräuschkulisse weitergehen.